Restaurierung der wertvollsten Bibel aus dem Passenheimer Archiv

Im Jahr 2017 wurde dank der finanziellen Unterstützung des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe die wertvollste Bibel aus dem Passenheimer Archiv restauriert. Sie ist im Jahr 1708 erschienen und stammt aus Mensguth. Im 19. Jahrhundert hatte der Provinzial-Konservator aus Königsberg die Bibel erwähnt.

Die gotischen, evangelischen Kirchen in Passenheim und Mensguth sind nicht nur wertvolle architektonische Bauwerke. Bemerkenswert ist auch ihre Innenausstattung, die sich über Jahrhunderte angesammelt hat und ein Zeugnis der Geschichte beider Kirchen und Orte darstellt. Sie sind ebenfalls eine Fundgrube für Archivalien, darunter ungewöhnlich interessante Inkunabeln, die auch als Erbe des Protestantismus wertvoll sind. Aufmerksamkeit ziehen ungewöhnliche Bibeln aus geschöpftem Papier auf sich, die in Holz und geprägtem Leder gebunden sowie mit Riemen und Spangen zusammengehalten sind. Die älteste von ihnen stammt aus dem Jahr 1650

Die stürmische Geschichte der evangelischen Kirchen in Masuren nach 1945 bewirkte, dass nur wenige dieser Bücher – herausgegeben in der Zeit der Erfindung des Drucks bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – in den Gemeindearchiven erhalten sind.

Die im Passenheimer Archiv angesammelten Bibeln sind eine interessante Sammlung sowohl in editorischer als auch historischer Hinsicht. Offensichtlich ist ihr religiöser Wert für Protestanten. Viele Jahrzehnte hindurch, noch bis vor kurzem, lag auf dem Altar der Passenheimer Kirche eine solche Bibel, die im Jahr 1756 in Lemgo herausgegeben wurde, und auf dem Alter der Filialkirche in Mensguth eine in Nürnberg herausgegebene Bibel aus dem Jahr 1708.

Die ganze Sammlung von Bibeln wurde dank der finanziellen Unterstützung des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe in den Jahren 2016-2017 konservatorischen Arbeiten unterzogen. „Bibeln aus der Passenheimer Schatzkammer – wie lassen sie sich für die Zukunft bewahren“ ist eine kurze Präsentation der auf masurischem Gebiet einzigartigen Passenheimer Inkunabeln.

Moses mit Luther nach der Konservierung

Zu den wertvollsten Bibeln im Passenheimer Archiv gehört die 1708 in Nürnberg herausgegebene Bibel wegen ihrer ungewöhnlich reichen Ausgabe: zahlreiche Anhänge und Kommentare, ein wertvoller Ledereinband mit schönen Messingbeschlägen sowie viele Graphiken, Landkarten, ein biblisches Wörterbuch, eine Konkordanz und der Text des Augsburger Bekenntnisses sind der Ausgabe beigefügt. Sowohl die Größe (Dicke 17 cm, Höhe 45,5 cm, Breite 32 cm) wie auch das Gewicht des Bandes (12 kg) sind beeindruckend. Es muss betont werden, dass sich einzelne Exemplare derselben Ausgabe sehr voneinander unterscheiden können. Die gedruckten Exemplare wurden oft in ungebundener Form und, abhängig vom Wohlstand des Käufers, mit unterschiedlichem illustrierenden Material verkauft.

Die Graphiken der Passenheimer Bibel wurden in der Technik des Kupferstichs durch einige der besten Künstler dieser Zeit erstellt: Jacob von Sandrart, August Christian Fleischmann, Johann Christian Marchant, Johann Daniel de Montalegre und Christian Adrichomius. Der größte Teil der Graphiken hat keine mit Text bedruckten Rückseiten, was bedeutet, dass sie eine Beilage auf spezielle Bestellung sein könnten.

Das komplette Exemplar band der Käufer individuell in einer Buchbinderei. Daher wurde nicht immer der Einband in derselben Zeit wie der Druck angefertigt. Die Passenheimer Bibel ist ein Beispiel eines sehr exklusiven Exemplars. Der Einband der Bibel wurde aus dunkelbraunem Oberleder gestaltet, das mit geometrisch-pflanzenförmigen, vergoldeten Stanzen auf dem Rücken sowie dem vorderen und hinteren Buchdeckel lackiert ist. Die gestanzten Bordüren schmücken Palmettenmotive und die Ecken ein Pflanzenmuster. Die Verkleidung ist in Holz ausgeführt. Den Einband schmücken auch sehr bildhafte Messingbeschläge, die nicht nur ein hohes künstlerisches Niveau präsentieren, sondern auch ein ikonographisches Programm enthalten. Die vier Eckbeschläge – sowohl auf dem vorderen wie hinteren Buchdeckel – stellen die Symbole der vier Evangelisten, komponiert in ein Pflanzenornament, dar; unten sind die Abbildungen mit Maskaronen abgeschlossen. Der Rücken der Bibel ist mit gestanzten, geometrischen und Pflanzenmustern vergoldet.

In der Mitte des vorderen Buchdeckels befindet sich eine Messingplakette in Gestalt von Moses mit dem Stab und den Tafeln mit den Geboten. Den hinteren Buchdeckel schmückt eine Messingfigur Christi. Auf den Spangen des Buchblocks in Gestalt einer Kartusche sind die Figuren der Apostel Petrus und Paulus platziert. Darstellungen von Engelchen (Putten) bedecken die Befestigung der Lederstreifen der Spangen.

Die Vorsätze sind aus geschöpftem Papier mit einem Wasserzeichen in Gestalt einer Lilie und den mit Majuskel geschriebenen Buchstabensymbolen JH (dies sind die Initialen des Namens des Druckers Johann Hessels aus Altdorf in Deutschland. Der volle Name befindet sich auf der zweiten Seite des Bogens.) ausgeführt. Geschmückt sind sie mit dem Aufdruck kleiner geometrischer Muster, die in senkrechten Streifen abwechselnd mit geflochtenen Blumensträußchen verlaufen.

Die Bibel ist in so genannten sieben doppelten Bindungen genäht. Sie wurde auf ziemlich dünnem, weißem, geschöpftem Papier ohne deutliches Wasserzeichen gedruckt. Die Vortitelseite oder Frontispiz ist ein graphischer Kupferstichabzug. Er stellt stilisierte Architektur dar, die vom Wappen des Fürstentums Sachsen gekrönt ist. Im Fries unter dem Tympanon sind die vier Evangelisten dargestellt, in der Mitte der Titel zwischen den Figuren von Moses und dem Heiligen Johannes dem Täufer und darunter der Sockel mit der allegorischen Darstellung der Opferung des Lamms sowie Brot und Wein. Das ist eine Graphik von Jacob von Sandrart aus Nürnberg, gestochen von Gabriel Ellinger.

Das Buch aus dem Jahr 1640 beginnt mit einem Vorwort an die Leser. Es folgt ein Vorwort Martin Luthers mit einer aufgeklebten, ganzseitigen Graphik von Johann Daniel de Montalegre, die Moses darstellt. Ein weiteres Kapitel ist eine Einführung in die vorliegende Edition der Bibel mit einer Kalenderinstruktion, wie und wann die einzelnen Kapitel zu lesen sind. Es folgen Seiten, die der Umrechnung von biblischen und jüdischen Monaten in römische, der Umrechnung von Gewichten, Volumen und Geldwerten gewidmet sind. Im folgenden Teil sind ganzseitige Abzüge von Kupferstichen mit Darstellungen des Propheten Ezechiel und danach 11 Darstellungen der aufeinander folgenden sächsischen Fürsten von Friedrich III. dem Weisen bis zu Bernhard dem Großen, ein Abbild von Martin Luther und auch auf einer Doppelseite ein Lager der Israeliten, das eine Illustration zu den Büchern Mose ist, zu finden. Das sind Graphiken von Johann Christian Marchant (er wirkte in Nürnberg und lebte in den Jahren 1680-1711) sowie Sandrart.

Eine weiteres Kapitel ist das Register und die Erklärung historischer Namen und Bezeichnungen in alphabetischer Reihenfolge. Die nächsten Seiten enthalten eine chronologische Aufzählung der Ereignisse des Alten und Neuen Testaments in der damaligen zeitlichen Umrechnung. Am Ende des einführenden Teils ist das Verzeichnis aller Bücher des Alten und Neuen Testaments mit der Hinzufügung der Abkürzung der deutschen und lateinischen Namen. Die Titelseite des 1. Buch Mose ist eine Kupferstichgraphik von Sandrart, die in 12 Felder geteilt ist, und einzelne in ihr dargestellte Ereignisse, beginnend mit der Erschaffung der Welt, illustriert. Sie umgeben den zentral platzierten Titel.

Zwischen den Seiten 174 und 175 eingeklebt ist eine Karte mit Widmung und Dank sagendem Lobgedicht für die sächsischen Fürsten Friedrich und Johann Wilhelm.

Die Kupferstecher und ihre Graphiken

Autor der größten Zahl von Graphiken, die die Bibel illustrieren, ist Jacob von Sandrart aus Nürnberg, geboren 1630 in Frankfurt. Er war Schüler seines Onkels, des Malers und Kupferstechers Joachim von Sandrart, der einer der berühmtesten Künstler des deutschen Barock war. Nach zahlreichen Reisen, beginnend mit Danzig, wo er vier Jahre verbrachte, über Thorn, Breslau, Wien und Regensburg, heiratete er die Tochter des bekannten Kupferstechers Georg Christoph Eimmart des Älteren. Ab 1656 wohnten der Künstler und seine Frau in Nürnberg, wo er im Jahr 1662 die bis heute existierende Kunstakademie gründete, deren erster Direktor er war. Er war der angesehenste und teuerste Kupferstecher in Nürnberg. Er spezialisierte sich hauptsächlich auf das Porträtieren bekannter Personen sowie auf Veduten und Landkarten. Er war der Schöpfer von über 400 sehr realistischen Graphiken. Er arbeitete als Illustrator u.a. mit den Verlagen Felsecker und Endtner zusammen, die die beschriebene Bibel aus Passenheim herausgab. Er starb in Nürnberg im Jahr 1708, also in der Zeit, in der ihr Druck beendet war. Auch seine Kinder Susanna Maria und Johann Jacob waren bekannte Kupferstecher.

Die Bibel enthält insgesamt neunzehn ganzseitige Kupferstiche und zwei Landkarten von Jacob Sandrart, u.a. eine Landkarte der Länder Kanaan, Judäa und Galiläa, die die Tätigkeit von Christus und den Aposteln illustriert. Das Alte und Neue Testament sind durch 16 Tafeln von ihm illustriert. Jede der Graphiken ist in zwölf gleiche Felder geteilt, in denen sich Kupferstiche mit Szenen befinden, die von den Autoren der Bücher der biblischen Ereignisse beschrieben werden.

Die Bibel enthält auch Kupferstiche, die von Johann Daniel de Montalegre signiert sind, der im Jahr 1689 in Frankfurt am Main geboren wurde. Sein Geburtsdatum erhärtet die Vermutung, dass ein Teil des illustrierenden Materials erst nach dem Druck des Buchs hinzugefügt worden sein könnte. Montalegre war in Nürnberg tätig, wo er 1768 starb. Er machte sich einen Namen als Stecher und Zeichner. Er hielt sich auch in Tschechien am Hofe von Graf Sporck auf. Seine Werke, die die Bibel illustrieren, sind ganzseitige Darstellungen von Moses, den Propheten Ezechiel, Jesaja und Daniel, und den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas.

August Christian Fleischmann kann man den zweiseitigen Plan des Lagers der Israeliten zuschreiben, der eine Illustration zu den Büchern Mose und mit den Initialen ACF signiert ist. Auch der zweiseitige Plan Jerusalems, der dessen Beschreibung ergänzt, ist sein Werk. Eine sehr interessante Graphik Fleischmanns ist die einseitige Illustration, die den Bau der Arche durch Noah zusammen mit der Aufteilung der Arche in Decks und Räume sowie der Einplanung des Inventars darstellt.

Fleischmann ist auch Autor eines Kupferstichs, der den Plan von Jerusalem zu Zeiten Jesu darstellt; er ist dem Traktat von Christian Andrichomius entnommen, der das Heilige Land beschreibt.

Edikten

Ebenso interessant ist eine Kollektion von Edikten, die vom königlichen Hof des preußischen Staates in der Zeit des 18. Jahrhunderts erlassen wurden.

Text: Witold Twardzik